DEAE-Symposion 2018: Migrationssensible Familienbildung

Konzeptionelle Weiterentwicklung von migrationssensibler Familienbildung

 

 

 

 

 

 

 

Beim diesjährigen DEAE-Symposion am 8./9. Oktober in Frankfurt am Main diskutierten Experten/innen aus Wissenschaft und Praxis aktuelle konzeptionelle Entwicklungen von migrationssensibler Familienbildung und fanden auf offene Fragen einrichtungsübergreifende und interdisziplinäre Antworten. Die beteiligten Forschenden und Programmplanenden sehen sich aktuell etwa von folgenden Aspekten konzeptionell herausgefordert:

  • Die kulturelle Versiertheit von Integrationshelfern (Stadtteilmüttern, Integrationshelfern, Elternlotsen u. ä.) ist in den letzten Jahren sicherlich gewachsen, insgesamt aber gibt es in dieser Hinsicht weiterhin viele Schwachstellen und Wissenslücken, besonders schwankt das Niveau an kultureller Sensibilität bei Dolmetschern/innen. Eine Frage die hier diskutiert wurde: Kann das Konzept der „Kulturdolmetscher/innen“ vielleicht stärker als bisher ausstrahlen oder ergänzend wirksam werden?
  • In Deutschland hängt der formale Bildungserfolg von Kindern (mit oder ohne Migrationshintergrund) maßgeblich von der Unterstützung ihres Elternhauses ab, doch reiben sich Eltern mit Migrationshintergrund in der Regel zwischen sehr hoher Bildungsaspiration und sehr geringen Unterstützungsmöglichkeiten auf. Es braucht hier mehr Verstetigung vorhandener und bereits erfolgreicher Projekte zwischen den kommunalen Schulträgern und den Kultusministerien.
  • Und selbst wenn Kinder mit Migrationshintergrund die Hochschulreife erlangen, ist die Unterstützung ihrer Eltern ein wichtiger Faktor für eine gelingende Studienfach- und Berufswahl. Das Projekt „Studienpioniere“, getragen von einem landesweiten Elternnetzwerk, aktiviert die Ressourcen der Eltern mit Migrationshintergrund und versucht besonders in Familien, deren Kinder erstmalig einen Studienabschluss anstreben, kulturbedingte Frustrationspotentiale abzubauen.
  • Drängende und politische brisante Fragen von Sexualität, Männlichkeit und Weiblichkeit in geflüchteten Familien sind nicht nur gesundheitsbildend und präventiv aufzugreifen, sondern als zentraler Teil einer interkulturellen Persönlichkeits- und Familienentwicklung. Ein sehr erfolgreiches Projekt mit geflüchteten Männern gibt hier wichtige methodische und inhaltliche Hinweise..
  • Es ist ein europäisches Selbstverständnis, dass man in Lerngesellschaften lebt und Bildung eine zentrale Bedingung für ein friedliches und produktives Miteinander darstellt. Dieser europäische Lehr-Lern-Habitus bleibt bislang aber zu implizit und institutionalisiert und sorgt für vielerlei Missverständnisse und Blockaden. Was es in Integrationsfragen insgesamt braucht – aber auch insbesondere zur Stärkung der Familienbildung – sind, mehr Bildungskonzepte, die als europäische Konzepte reflektiert und ausgewiesen werden, sowie an die Bildungserfahrungen der Geflüchteten anknüpfen können
  • Zudem ist eine stärkere europäische Vernetzung nötig, um die Stimme und den Einfluss der Dach- und Fachverbände sowie der Wissenschaftsdisziplinen neben den immer wichtiger werdenden Europainstitutionen zu entwickeln.
  • Die Situation in Erstaufnahmeeinrichtungen ist für die geflüchteten Familien dort sehr belastend und kraftraubend, sie geraten in starke, konfliktuöse Abhängigkeitsverhältnisse, doch gerade deswegen sind ehren- und hauptamtliche Entwicklungs-, Lern- und Unterstützungsangebote in diesen Gemeinschaftsunterkünften sehr wichtig. Ein Fortbildungskonzept, das Fachkräften speziell für diese schwierigen Lernräume „Integrationsbausteine“ an die Hand gibt, versucht dafür mehr Aufmerksamkeit und Orientierung zu schaffen.

Alle Teilnehmenden waren sich einig, dass gegenüber der medialen und politischen Gereiztheit in Migrationsfragen stärker für eine Versachlichung der Debatten einzutreten ist. Es braucht mehr Raum und Aufmerksamkeit für Fachdiskurse, die dann etwa befördern, dass in den Debatten, Programmplanungen und Artikeln präziser zwischen unterschiedlichen Migrationshintergründen und den quer dazu liegenden sozialen Milieus und Bildungsschichten differenziert wird.

Das Symposion endete mit einem klaren Auftrag an die DEAE-Fachgruppe: alle Teilnehmenden betonten erneut, dass dieses Format, das sich bewußt quer legt zu fach-, ressort- und einrichtungsspezifischen Engführungen, unbedingt zu erhalten ist. Für Wissenschaft, Praxis und Administration gibt es im sonstigen Tagungs-, Fortbildungs- und Wissenschaftsbetrieb keine vergleichbare Gelegenheit, um sich über Fragen von Migration – Familie – Bildung derart intensiv und produktiv zu verständigen.