Bericht zum Fachtag Elternchance, 10. Sept. 2018 in Bremen

Wenn es schwerfällt mitzukommen! Eltern bei Bildungsübergängen ihrer Kinder begleiten

Die Bildungsbiographie von Kindern wird wesentlich vom Elternhaus beeinflusst, vor allem wenn Übergänge zwischen Bildungseinrichtungen zu entscheiden und zu begleiten sind. Besonders an den Übergängen wirken sich die ungleichen Ressourcen der Eltern sehr nachteilig aus: Die einen können viel Kraft, Wissen, Geld und Beziehungen einsetzen, um ihren Kindern eine reibungslose Bildungslaufbahn zu ermöglichen. Die anderen, die schon benachteiligten Familien, sind mit solchen Weichenstellungen schnell überfordert. Betroffen sind arme und von Armut bedrohten Familien, und auch Eltern, also Eltern, die aus guten Gründen zunächst einmal finanzielle und zeitliche Belastungen vermeiden wollen, und auch Eltern, die sich in Bildungsinstitutionen unsicher fühlen, etwa, weil ihre Muttersprache nicht Deutsch ist. Die Fachkräfte in den Einrichtungen sind hier nicht nur pädagogisch gefragt, denn der Eintritt in eine Kita, der Start in einer Grundschule oder der Übergang in eine weiterführende Schule sowie alle durch Umzug, Krankheit oder andere Belastungen begründete Wechsel können die soziale und persönliche Entwicklung von Kindern nachhaltig prägen.

Wie Eltern, denen es schwer fällt mitzukommen, gestärkt und begleitet werden können, diskutierten Fachkräfte aus Kindertageseinrichtungen, Schulen und Ganztagsbetreuung in Bremen. Eingeladen hatten die Deutsche Evangelische Arbeitsgemeinschaft für Erwachsenenbildung (DEAE) gemeinsam mit dem evangelischen Bildungswerk Bremen, dem Landesverband evangelischer Tageseinrichtungen für Kinder Bremen und dem Landesinstitut für Schule Bremen.

In ihrem Grußwort drückte Edda Bosse, Präsidentin der Bremischen evangelische Kirche ihre Begeisterung aus, dass sich zu diesem Thema alle wichtigen Akteure in der Hansestadt zusammengefunden und zur Tagung eingeladen haben. Aus ihrer Sicht sei es wichtig, von den Eltern aus zu denken. Die Stärkung der Eltern sei notwendig, um Kinder in ihrer Entwicklung zu unterstützen.

Dr. Claudia Bogedan, Senatorin für Kinder und Bildung im Senat der Freien Hansestadt Bremen, betonte in ihrem Grußwort, dass das Thema Übergänge immer wichtiger werde. Der Senat der Hansestadt Bremen fördert mit einem Landesprogramm die Entwicklung von Bildungsangeboten zur Bildungspartnerschaft zwischen Schulen und Eltern. Der institutionelle Blick auf Bildungsübergänge soll durch die Elternperspektive erweitert werden. Start: Herbst 2018

 

 

Dr. Claudia Bogedan

Im Vortrag von Prof. Klaus-Jürgen Tillmann wurde die Perspektive von Einrichtungen und Ressorts kontrastiert mit der Perspektive von Eltern und ihrer Lebenswelt. Zwei gegensätzliche Entwicklungen sind zu beachten: Einerseits ist eine zunehmende Entstandartisierung der Lebensläufe in Familie und Beruf festzustellen. Die Altersfixierung beziehungsweise die Reihenfolge von Lebensereignissen (wie Heirat, Karriere oder Familiengründung) sind deutlich flexibler geworden. Es gibt lebensweltlich immer mehr und immer individuellere beziehungsweise flexiblere Übergänge. Dem gegenüber steht eine zunehmende Normierung und immer schnellere Durchlaufzeit im Bildungsbereich, z. B. durch den Bologna-Prozess, das verkürzte Abitur und Bemessung von Lernleistungen in den Kitas. Diese gegenläufigen Entwicklungen erhöhen für das einzelne Kind und seine Eltern das Risiko, falsche Entscheidungen zu treffen oder überfordert zu werden.

Hinzu kommt: Übergänge werden von Kindern unterschiedlich verarbeitet. So gelingt der Schuleintritt in einem dauerhaft stressfreien Elternhaus leichter, denn die Kommunikation im Elternhaus spielt laut Prof. Tillmann eine zentrale Rolle bei der Bewältigung schwieriger Lebensabschnitte. Institutionelle Unterstützungen wie „Schulbesuche“ der Kitakinder, ein geregelter Austausch zwischen Kita- und Schul-Fachkräften, jahrgangsübergreifendes Lernen oder die Entwicklung einer „Ankommenskultur“ sind wichtige Ansätze. Aber die Eltern, in ihrer lebensweltlichen Situation und mit ihren sehr unterschiedlichen Ressourcen, müssen dabei noch stärker in den Blick genommen werden.

 

 

Prof. Dr. (emer.) Klaus-Jürgen Tillmann

Die Qualifizierung Elternbegleitung kann Eltern bei Bildungsübergängen ihrer Kinder Orientierung geben. Elternbegleiter*innen wissen, wie die Zusammenarbeit mit den Eltern gelingen kann. Ursula d’Almeida Deupmann, Dozentin der Qualifizierung Elternbegleitung, stellte die Qualifizierung vor und gab Einblicke in deren Ablauf. Sehr praxisnah konnten die Teilnehmer*innen selbst erleben, wie in der Qualifizierung gearbeitet wird. Mit kleinen Zwischenübungen und Zwiegesprächen konnten die Teilnehmer*innen eigene Erfahrungen reflektieren und dadurch weitere Zugänge zum Thema erlangen.

In den Workshops war anschließend Gelegenheit, einzelne Praxisansätze näher kennenzulernen. Anhand von Projekten und Praxiskonzepten konnte aufgezeigt werden, wie Eltern bei den Bildungsübergängen ihrer Kinder begleitet werden.

Die Workshops des Fachtags:

  • Muss aller Anfang schwer sein?

Gelungene Übergänge als Ausgangspunkt von Erziehungs- und Bildungspartnerschaften in Schulen
Input und Moderation:
Magda Ehmke, Leiterin Kath. Bildungswerk Bremen
Arnold Jahnke, ehem. Leiter der kath. St. Joseph-Schule Bremen

  • Darf ich mich in Ihre Erziehung einmischen?

Die Resonanz von Angeboten zur Entwicklungsförderung in der Eltern- und Familienbildung
Input und Moderation:
Dr. Heidemarie Rose, ehem. Abteilungsleitung Junge Menschen und Familien bei SfJFIS und Projektkoordinatorin Bremer Initiative zur Stärkung frühkindlicher Entwicklung (BRISE)

  • Ernst genommen und beteiligt

Wie sich eine partizipatorische Übergangsgestaltung in der Kita entwickeln lässt
Input und Moderation:
Kerstin Wührmann, Leiterin der Kita der evang. Martin-Luther-Gemeinde Finsdorff

Die Tagung zeigte deutlich, dass es in Bremen gute Beispiele für die Begleitung von Eltern bei Bildungsübergängen gibt, von denen sich ressort- und einrichtungsübergreifend lernen lässt. Übergänge von der Familie in die Kita und in die Grundschule werden in der Praxis bereits intensiv unterstützt. Im Landesprogramm zur Förderung von Bildungspartnerschaften zwischen Schulen und Eltern werden nun weitere neue Praxisprojekte für den schulischen Bereich entwickelt und Elternbegleiter*innen – so der Konsens der Tagung – können dabei eine Schlüsselrolle spielen.

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