Evangelische Schulseelsorge hat in den letzten 20 Jahren einen enormen Aufschwung erlebt. Nicht zuletzt haben schulische Krisensituationen in den zurückliegenden Jahren die Relevanz außerunterrichtlicher Angebote zur Begleitung von Schüler:innen, Lehrer:innen sowie Eltern verdeutlicht. Evangelische Schulseelsorge kann neben der Krisenbewältigung auch dazu beitragen, das Schulklima zu verbessern, und in einer zunehmend multireligiösen Schule den Dialog der Religionen und Kulturen fördern.
Die hier vorgestellten Ergebnisse aus der Evangelischen Bildungsberichterstattung beziehen sich auf die Zeit weit vor der Corona-Pandemie. Diese hat noch einmal die Notwendigkeit einer auch seelsorglichen Begleitung in der Schule unterstrichen.
Aktuelles
Der erste Bildungsbericht zur evangelischen Schulseelsorge wurde 2019 veröffentlicht. Eine Fortsetzung ist für die Förderperiode ab 2024 geplant.
Zielsetzung und methodisches Vorgehen
Mit dem Bildungsbericht zur evangelischen Schulseelsorge erfolgt eine Bestandsaufnahme eines noch jungen Handlungsfeldes im Bereich schulischer Bildungsarbeit. Untersucht wurden die Handlungsschwerpunkte der Schulseelsorger: innen sowie die Rahmenbedingungen und Herausforderungen ihrer Tätigkeit. Evangelische Schulseelsorge wird von verschiedenen Berufsgruppen ausgeübt: von Pfarrer:innen, Lehrer:innen und Gemeindepädagog:innen/Diakon:innen. Es sollten verlässliche Daten dazu gewonnen werden, in welchem zahlenmäßigen Verhältnis diese verschiedenen Berufsgruppen zueinander stehen.
Um Strukturen und Inhalte evangelischer Schulseelsorge empirisch fundiert beschreiben zu können, wurde 2017/18 eine EKD-weite Online-Befragung unter evangelischen Schulseelsorger:innen durchgeführt, an der sich 472 Personen beteiligten. Zugleich wurde eine Abfrage bei den landeskirchlichen religionspädagogischen Instituten, die Qualifizierungsmaßnahmen für Schulseelsorger:innen anbieten, durchgeführt, u.a. zum demografischen Hintergrund der Teilnehmenden sowie zu den Rahmenbedingungen der Qualifizierungen. An dieser Abfrage haben sich 13 Landeskirchen, in denen Qualifizierungen zur Schulseelsorge angeboten werden, beteiligt.
Projektstruktur und Kooperationspartner
Die Abfrage bei den religionspädagogischen Instituten erfolgte durch das Comenius-Institut. Die Online-Befragung der Schulseelsorger:innen wurde im Auftrag des Comenius-Instituts durch das Sozialforschungsinstitut GMS Dr. Jung in Hamburg durchgeführt.
An Planung und Durchführung der Studie sowie an der Erstellung des Bildungsberichts beteiligt waren Dr. Harmjan Dam, 1996 bis 2015 Studienleiter für Evangelische Schulseelsorge am Regionspädagogischen Institut der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau, sowie Thomas Böhme und Dr. Peter Schreiner, die auch die Projektleitung innehatten. Das Projekt wurde zudem durch die Steuerungsgruppe und den Wissenschaftlichen Beirat von EBiB begleitet und durch eine Arbeitsgruppe beraten, in der Expert:innen aus Wissenschaft und Praxis mitwirkten.
Bildungsbericht 2019: Zentrale Ergebnisse
Schulseelsorge wird überwiegend von Religionslehrkräften ausgeübt
Der Orientierungsrahmen der EKD zur Schulseelsorge sieht gleichermaßen Religionslehrkräfte wie Pfarrer:innen als verantwortlich für die Ausübung von Schulseelsorge vor. Daneben können, so der Orientierungsrahmen, ggf. kirchliche Mitarbeitende aus der schulbezogenen Arbeit (i.d.R. Gemeindepädagog:innen oder Diakon:innen) schulseelsorglich tätig werden. Voraussetzung ist in allen Fällen die Teilnahme an einer entsprechenden Qualifizierungsmaßnahme. (vgl. dazu Kap. 3.7 des Bildungsberichts)
Der Bildungsbericht zeigt: Schulseelsorge wird mehrheitlich von Religionslehrkräften ausgeübt, und zwar mit steigender Tendenz. Die Gruppen der Pfarrer:innen und der Gemeindepädagog:innen folgen mit relativ großem Abstand. Hier wäre zu prüfen, inwieweit die Curricula der Qualifizierungsmaßnahmen einer sich wandelnden Beruflichkeit in der Schulseelsorge Rechnung tragen (vgl. dazu Kap. 3.7 des Bildungsberichts).
Seelsorgegespräche sind Kernaufgabe der Schulseelsorge
Schulseelsorgerinnen und -seelsorger nennen Seelsorgegespräche in Form von „Kurzgesprächen zwischen Tür und Angel“ als häufigste Tätigkeit. Kurzgespräche sind somit eine schulseelsorgliche Kernaufgabe. (vgl. dazu Kap. 3.5 des Bildungsberichts)
Zentrale Herausforderungen aus der Sicht von Schulseelsorger:innen: wachsender Bedarf an Schulseelsorge, steigende Leistungserwartungen und religiöse Pluralität
Aus Sicht der befragten Schulseelsorger:innen gehören zu den größten Herausforderungen in den nächsten Jahren neben einem wachsenden Bedarf an Schulseelsorge insbesondere steigende Leistungserwartungen an die Schüler:innen und eine zunehmende religiöse Pluralität. Dabei spielen schulformspezifische Unterschiede eine Rolle. Steigende Leistungserwartungen sind eine Herausforderung insbesondere an Schulen mit Sekundarstufe I und II (Gymnasien), religiöse Pluralität wird vor allem an beruflichen Schulen thematisiert. (vgl. dazu Kap. 3.5 des Bildungsberichts)
Entsprechend gehören der Umgang mit religiöser Pluralität wie auch interreligiöse Angebote zu häufig genannten Fortbildungswünschen. Im Orientierungsrahmen wird evangelische Schulseelsorge in den Kontext einer pluralitätsfähigen Schule gestellt. Der „Umgang mit religiöser Pluralität“ gehört demnach zu den zu erlangenden Kompetenzen. Die Bearbeitung dieser Herausforderung ist bereits Teil der Qualifizierung, anscheinend jedoch nicht in dem Umfang, den sich Schulseelsorger:innen wünschen.
Die Altersstruktur der Schulseelsorger:innen stellt Herausforderungen an die Weiterentwicklung der Schulseelsorge
Mehr als die Hälfte der befragten Schulseelsorger:innen war zum Zeitpunkt der Befragung älter als 50 Jahre. Dabei zeigen sich unter den Berufsgruppen deutliche Unterschiede. So lag der Anteil der über 50-jährigen bei den Pfarrer:innen bei 83 % (vgl. dazu Kap. 3.1 im Bildungsbericht). Diese Zahlen aus der Online-Befragung deuten auf einen zukünftig wachsenden Qualifizierungsbedarf hin, um das Angebot evangelischer Schulseelsorge im bisherigen Umfang aufrecht zu erhalten oder sogar auszubauen.
Publikationen
Open Access
Bildungsbericht zur evangelischen Schulseelsorge – Kurzfassung
Empirische Befunde und Perspektiven. Zusammenfassung von Ergebnissen der Evangelischen Bildungsberichterstattung. Peter Schreiner…
Evangelische Schulseelsorge
Evangelische Schulseelsorge hat sich zu einem wichtigen Feld der Kooperation von Schule…
Im Bookshop
Evangelische Schulseelsorge
Evangelische Schulseelsorge hat sich zu einem wichtigen Feld der Kooperation von Schule…
Mitwirkende
Kurzinfo EBiB – Evangelische Schulseelsorge
Konzeption und Erstellung des Berichtes
Thomas Böhme; Dr. Harmjan Dam; Dr. Peter Schreiner
Projektleitung
Thomas Böhme; Dr. Peter Schreiner
Laufzeit
2016 – 2019
Förderung
Evangelische Kirche in Deutschland (EKD)
Kooperationspartner
Sozialforschungsinstitut GMS DR. Jung, Hamburg