Bibeldidaktik

Gottfried Adam, Rudolf Englert, Rainer Lachmann, Norbert Mette, Britta Papenhausen

ein Lese- und Studienbuch
Münster: Lit-Verlag, 2009, 275 Seiten, 3. Auflage
ISBN 978-3-8258-0208-0

Das Lesebuch möchte in die Diskussion einige Schneisen schlagen und dazu eine Auswahl wichtiger Texte, die in den letzten Jahren erschienen sind, bieten. Es ist in sechs Teile gegliedert:

  • Im ersten Teil finden sich zwei Überblicksdarstellungen, die Anfang der 1990-er Jahre eine Bilanz der bibeldidaktischen Entwicklungen vorgelegt haben.
  • Teil II bietet sechs Texte mit sog. Klassikern, deren Autoren sich didaktisch- hermeneutischen Zugängen zur Bibel verpflichtet wissen.
  • Im dritten Teil wird dokumentiert, in welcher Weise die Rezeption der entwicklungspsychologischen Aspekte die Bibeldidaktik bereichert hat.
  • Teil IV enthält Texte zu weiteren neueren theologischen und methodischen Zugängen. Es handelt sich dabei im Einzelnen um interaktionale, strukturanalytische, bibliodramatische, befreiungstheologische, feministische, handlungsorientierte und semiotische Zugänge.
  • Im fünften Teil geht es um Kontroversen, die systematisch-theologische Prämissen, ästhetische Zugänge, den Korrelationsansatz und die Frage der Unmittelbarkeit betreffen.
  • Teil VI zeigt Neuakzentuierungen in der Bibeldidaktik. Es handelt sich dabei um die Perspektiven, welche zum einen der Umgang mit moderner Literatur, zum andern ein neuer Zugang zum Erinnernlernen und zum dritten die Dimension kreativen Denkens für die Erschließung biblischer Texte erbringen.

Inhaltsverzeichnis

Einleitung

I. Überblicksdarstellungen (zur Entwicklung der Bibeldidaktik)
Ott, Rudi: Lernen in der Begegnung mit der Bibel
Wegenast, Klaus: Religionspädagogik und Exegetische Wissenschaft: Zu einem umstrittenen Verhältnis im Haus der Theologie. Heinz Grosch zum 60. Geburtstag am 26.04.1990

II. Klassiker

Otto, Gert: Grundfragen des Religionsunterrichts
Baldermann, Ingo: Bilder vom Reich Gottes - eine Hoffnung für Kinder? Elementare Zugangsmöglichkeiten zu Evangelientexten für Kinder
Langer, Wolfgang: Bibeldidaktische Grundregeln: Neues Testament
Biehl, Peter: Bibeldidaktik als Symboldidaktik. Sprung - Spurensuche - Wahrnehmung. Eine Skizze
Wegenast, Klaus: Die didaktische Analyse im Religionsunterricht, dargestellt an Mk. 4,35-41 par.; Mk. 8,31-37 par.; Röm. 1,3f.
Stock, Hans: Der kerygmatische Charakter der Evangelientexte als Unterrichtsproblem (1960)

III. Entwicklungspsychologische Aspekte

Nagel, Günter: Gegen die Harmlosigkeit gängigen Bibelunterrichts
Büttner, Gerhard / Reis, Oliver: Wie werden Kinder zu (biblischen) Theologen oder wie entsteht ein kohärentes Bibelwissen?
Bucher, Anton A.: Ein zu lieber Gott? Oder: Ist die Tilgung des ‚Bösen' aus der Bibeldidaktik nur ‚gut'?
Schweitzer, Friedrich: Kinder und Jugendliche als Exegeten? Überlegungen zu einer entwicklungsorientierten Bibeldidaktik
Schilling, Klaus: "Bibel erzählen" bei Lernbehinderten
Karle, Isolde: Die Bibel als Medium der Identitätsbildung. Überlegungen zum Umgang mit der Bibel im Religionsunterricht

IV. Neuere theologische und methodische Zugänge

Berg, Horst Klaus: Bibeldidaktische Leitlinien
Dormeyer, Detlev: Die interaktionale Bibelauslegung und die Bibelarbeit heute
Stock, Alex: Strukturale Analyse - am Beispiel von 1. Samuel 1,1-2,21. Josef Blank zum 50. Geburtstag
Kropac, Ulrich: Schülerinnen und Schüler als "Exegeten" oder als "Raumfahrer" im biblischen Zeichenuniversum? Bibeldidaktische Suchbewegungen zwischen Entwicklungspsychologie und Semiotik
Kollmann, Roland: Bibliodrama in Praxis und Theorie
Mette, Norbert: Befreiende Bibellektüre: eine Herausforderung für die hiesige Bibeldidaktik - am Beispiel der Bartimäus-Perikope (Mk 10,46-52)
Pissarek-Hudelist, Herlinde: Religionspädagogische Konsequenzen aus einer feministischen Bibelauslegung
Hahn, Matthias: Handlungs- und produktionsorientierte Zugänge zu biblischen Texten im Religionsunterricht

V. Aufschlussreiche Kontroversen

Ruster, Thomas: Die Welt verstehen "gemäß den Schriften". Religionsunterricht als Einführung in das biblische Wirklichkeitsverständnis
Meurer, Thomas: Bibel macht Schule. Aber schafft sie auch Glauben? Anmerkungen zur aktuellen Diskussion
Meurer, Thomas: Bibeldidaktik als ästhetische Rekonstruktion. Zum Konzept einer ästhetischen Bibeldidaktik und ihres kritischen Potenzials für eine Religionspädagogik in der Postmoderne
Kalloch, Christina / Kruhöffer, Bettina: Das Alte Testament "unmittelbar" erschließen? Kritische Anfragen an die bibeldidaktische Konzeption Ingo Baldermanns
Wischnowsky, Marc: Das Alte Testament "historisch-kritisch" erschließen? Vom ‚richtigen' Verstehen biblischer Texte. Eine Erwiderung

VI. Bemerkenswerte Akzentuierungen

Langenhorst, Georg: Bibel und moderne Literatur: Perspektiven für Religionsunterricht und Religionspädagogik
Greve, Astrid: Erinnern lernen
Hull, John: Kreatives Denken und die Bibel

Literaturdokumentation

Zur Einführung

Die Bibeldidaktik ist ein zentrales, ja das zentrale Gebiet der Didaktik christlich-religiösen Lernens.

Bibelauslegung und Bibeldidaktik

Die Bibelauslegung und Bibeldidaktik stellen für die Frage des Umgangs mit der Bibel zwei wesentliche Arbeitsfelder dar, die miteinander verschränkt sind. Die historisch-kritische Methode und ihre Arbeitsschritte sind ein wesentlicher Bestandteil der evangelischen und katholischen Theologie und Religionspädagogik. Allerdings ist die historisch-kritische Methode nicht identisch mit der Bibeldidaktik. Die Kenntnis der historisch-kritischen Methode und ihre Anwendung gehören zu den Voraussetzungen der Bibeldidaktik. Für die Lehrkräfte bleibt die Kenntnis der bibelwissenschaftlichen Methoden daher unabdingbar. Wer mit heranwachsenden Kindern und Jugendlichen Bibeltexte bearbeitet, bedarf der Kenntnis der Grundregeln historisch-kritischen Umgangs mit den biblischen Texten ebenso wie der Fähigkeit, damit auch wirklich umgehen zu können. Dies bedeutet allerdings nicht, dass der Unterricht selbst zum Ziel hat, den Kindern und Jugendlichen die historisch-kritische Methodik in aller Differenziertheit zu vermitteln.

Es ist vielmehr zwischen unterschiedlichen Weisen des Bibelgebrauchs zu unterscheiden. Es seien genannt: der gottesdienstliche Bibelgebrauch, der Bibelgebrauch in der Gemeindearbeit, der Bibelgebrauch im schulischen Religionsunterricht und der Bibelgebrauch in der wissenschaftlichen Theologie.  Der historisch-kritische Umgang zielt primär auf Distanz. Der unterrichtliche Umgang, den die Bibeldidaktik bedenkt und verantwortet, zielt auf Interesse und Nähe. Dabei ist hier aber wiederum als Differenzierung hilfreich, zwischen eher kognitiv-reflektierenden Zugängen und eher affektiv-erfahrungsorientierten Zugängen zu den biblischen Texten zu unterscheiden.

Die Bibel im Unterricht

Die Verwendung der Bibel im Unterricht mit Kindern und Jugendlichen sieht sich heute einer Vielzahl von Fragen gegenüber, die man mit Horst Klaus Berg zumindest als den dreifachen Verlust von historischer Plausibilität, gesellschaftlicher Relevanz und individueller Bedeutung beschreiben kann.  Viele Zeitgenossen nehmen die Bibel nur noch als eine Sammlung überkommener Schriften wahr, die als Traditionsgut gepflegt wird, sie sehen aber kaum eine Relevanz für heutige Lebenszusammenhänge und tun sich daher schwer, eine Orientierungsfunktion biblischer Texte für heute gelingendes Leben zu erkennen.

Angesichts dieser Situation ist es nicht verwunderlich, dass die Frage nach dem angemessenen Umgang mit der Bibel überaus aktuell ist. Man kann feststellen, dass in den letzten Jahren erneut viel Bewegung in die Bibeldidaktik gekommen ist. Dabei sind in letzter Zeit neben die eher kognitiv-reflektierenden Zugänge (wie historisch-kritischer und realkundlicher sowie wirkungsgeschichtlicher, problemorientierter und entwicklungsorientierter Ansatz) die stärker affektiv-erfahrungsbezogenen Zugänge (wie Symboldidaktik, narrative Didaktik, gestaltpädagogischer Zugang und Bibliodrama) getreten. Für die Beschäftigung mit dem sich deutlich differenzierenden Bild von Didaktik und Methodik des Bibelunterrichtes ergibt sich damit eine erstaunliche Vielfalt.  Der Neutestamentler Gerd Theißen hat jüngst einen Entwurf vorgelegt, in dem er unterschiedliche Ansätze miteinander zu einer "offenen Bibeldidaktik" zu verbinden versucht.

Schlussbemerkungen

Hinsichtlich der Zielvorstellungen für den Bibelunterricht können wir eine Vielfalt beobachten, die die Glaubensentscheidung der einzelnen Person (katechetisches Konzept), die Klärung historischer Fragen und der Herausarbeitung des Kerygmas (frühe hermeneutische Phase), die Lösung von Lebensfragen (problemorientiertes Konzept), das Bedenken der Situation des Adressaten/Lesers (rezeptionsästhetischer Ansatz) und eine weitere Vielfalt einzelner Methoden umfasst. Dabei ist festzustellen, dass die erfahrungsbezogenen Zugänge seit Mitte der siebziger Jahre des vorigen Jahrhunderts deutlich zugenommen haben. Dabei geht es um Erfahrungsorientierung in der doppelten Hinsicht, dass die Schüler und Schülerinnen sich selbst als Subjekte verstehen und dass sie an einem ganzheitlich-hermeneutischen Verstehensvorgang beteiligt sind. In der konkreten unterrichtlichen Praxis hat diese Entwicklung zu einer Verstärkung von gestaltpädagogischer Arbeit, der Zunahme kreativ-gestalterischer Formen und Interaktionen (Aktions-, Puppen- und Rollenspiele, Tanz, Pantomime, Erzählen, Musik, zeichnerisches Gestalten sowie Bibliotherapie und Bibliodrama) geführt.
Bei all dem gilt es aber zu beachten, dass die Kontrolle der historisch-kritischen Bibelauslegung auch weiterhin erforderlich ist, damit angesichts vorübergehender modischer Trends die eigenen Aussagen der biblischen Texte zur Geltung kommen. Bei allen Bemühungen um Bibeldidaktik und Bibelmethodik ist festzuhalten, dass für den Umgang mit der Bibel die Lebensbedeutsamkeit und Lebensrelevanz zentral sind. Damit ist das im Blick, was Martin Luther als "Mitte der Schrift" bezeichnet hat. Die Auslegung der biblischen Überlieferung und die Begegnung mit den biblischen Texten gehen davon aus und leben davon, dass die biblischen Texte mit ihren Kernaussagen dem menschlichen Leben im umfassenden Sinne dienen wollen. Insofern ist das Kriterium der Lebensförderlichkeit relevant. Dies kann aber nur im Zusammenhang mit der Rede von Gott passieren. Das zentrale und gemeinsame Thema aller biblischen Texte stellt jenes Leben dar, das von Gott geliebt ist, jenes Leben, das im Geiste des Evangeliums gelebt wird, jenes Leben, das den Menschen zu wahrer Humanität vor Gottes Angesicht befähigt.

Preis: 15,00  inkl. Mehrwertsteuer

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