Ausbildung zum Prädikantendienst in deutschen Auslandsgemeinden
Sie lassen am Sonntagmorgen in Istanbul die Glocken klingen und laden anschließend in Malmö zur besinnlichen Begegnung beim Apfelstreuselkuchen, sie feiern im kalten Moskau im Botschaftsgebäude, teilen sich den Gottesdienstraum mit einem Discothekenbetreiber in Belgrad oder predigen im warmen Madrid in der selbstrenovierten eigenen Kirche: die Prädikantinnen und Prädikanten in den deutschen evangelischen Auslandsgemeinden.
Damit sie das aber können, absolvieren sie zunächst einen einjährigen Ausbildungskurs, der sie mit den Grundlagen des Prädikantendienstes theoretisch und praktisch vertraut macht. Der Fernkurs für PrädikantInnen in evangelischen Auslandsgemeinden ist ein Gemeinschaftsprojekt der Evangelischen Arbeitsstelle Fernstudium im Comenius-Institut und der Ökumene- und Auslandsarbeit im Kirchenamt der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Eine wesentliche Voraussetzung zur Teilnahme am Fernkurs ist die Empfehlung durch die entsendende Auslandsgemeinde. Eine Berufung zum Prädikantenamt durch die Gemeinde geschieht dann ortsgebunden und ist zunächst befristet für einen Zeitraum von fünf Jahren. Am vergangenen Donnerstag hat nun im Michaeliskloster in Hildesheim bereits die zweite internetgestützte Ausbildung zum Prädikantendienst in evangelischen Auslandsgemeinden begonnen. Während einer mehrtägigen Präsenzphase trafen sich angehende Prädikantinnen und Prädikanten aus verschiedenen Ländern, um in den Fernkurs und das E-Learning Programm eingeführt zu werden. Der Fernkurs wurde hierfür vom Team der Fernstudienstelle komplett überarbeitet und die Lernsoftware aktualisiert. "Vor allem der handlungsorientierte Charakter der Aufgaben wurde noch stärker in den Vordergrund gestellt", erklären Ada Gertrud Wolf und Rüdiger Wild. Die neuste Version der verwendeten Lernplattform Moodle ermöglicht es auch, zukünftig kleine Lernfilme einzubinden, die gerade in Italien produziert worden sind. Außerdem wurden noch zusätzliche Kommunikations- und Vernetzungsmöglichkeiten zwischen den angehenden LaienpredigerInnen, ihren MentorInnen und den hiesigen AusbilderInnen der EKD geschaffen.
Ganz gleich ob mehr Touristen- oder mehr Diplomatengemeinde, immer hat die deutsche Gemeinde eine wichtige Funktion im Ausland. Sie ist Teil der deutschen Community; ein Bindeglied zwischen Goetheinstitut, Konsulat und deutscher Schule. Ein Stück Heimat in der Fremde für die einen aber auch ein Stück Integrationshilfe für die anderen. Denn deutsche Gemeinden bauen Brücken zwischen den Kulturen, in dem sie die eigene Identität bewahren helfen und sich zugleich für die Begegnung mit dem Fremden öffnen. „Das ist nicht nur Gottesdienst, sondern auch Johann Sebastian Bach, Lebkuchen, Bratwurst und deutscher Wein – die wir mit Deutschen und Einheimischen teilen!“
Prädikanten, auch Laienprediger genannt, haben in den deutschen Gemeinden im Ausland viele wichtige Funktionen. Da es dort nicht so viele Pfarrer gibt, müssen die Prädikanten auch schon mal Hochzeiten durchführen, taufen oder Beerdigungen ausrichten. Denn in Spanien z.B. müssen die Gestorbenen innerhalb von 24 Stunden bestattet sein. Wenn der Pfarrer aber gerade nicht zugegen ist, mussten früher Frauen oder Männer aus dem Kirchenvorstand einspringen, die sich damit oft überfordert fühlten. „Es ist besser, wenn man mit diesen Aufgaben schon etwas vertraut ist und schon Erfahrungen mit dem Gestalten von Gottesdiensten hat, ehe man auch solche eher schwierigen Kasualien durchführt“, erklärt Hannes Bauer, der selber lange Jahre Pfarrer in Madrid war und froh über die Prädikantinnen und Prädikanten, die ihn bei der Arbeit unterstützten. Aber die Laienprediger sind nicht bloß Ersatz, wenn die Pfarrerin oder der Pfarrer mal nicht kann, sondern sie sind auch sonst eine wichtige Ergänzung, weil sie aus ihrem alltäglichen Berufsleben Erfahrungen in ihr Amt mit einbringen, die den Gottesdienst und das Gemeindeleben thematisch bereichern.
Wenn die angehenden PrädikantInnen am Sonntagnachmittag wieder in ihre „fremde“ Heimat zurückkehren, so nehmen sie in ihrem Gepäck nicht bloß den Zugang zu ihrem Lernprogramm mit, sondern vor allem das Erlebnis Teil eines Netzwerkes zu sein, in dem jeder einen bedeutsamen und einzigartigen Part inne hat. In den kommenden neun Monaten werden sie deshalb auch nicht bloß ihr Lernpensum erfüllen, sondern sich in kleinen Regionalgruppen über ihre neuen Erfahrungen austauschen. Die Kommunikation zwischen den Teilnehmern ist durch das internetgestützte Lernprogramm wesentlich einfacher geworden: „Früher bekamen die Teilnehmer dicke Ordner mit und waren dann weitgehend sich selbst überlassen, jetzt kann man den Kontakt halten, merkt schneller, wenn’s irgendwo Probleme gibt und kann dann auch schneller helfen,“ bestätigt Oberkirchenrat Michael Schneider, der die Ausbildung von Seiten des Kirchenamtes der EKD betreut.